Erfahrungen einer ISWI FSJlerin – die Welt gleich vor der Haustür oder „Mit Gaffer hält das schon zusammen!“

Als angehende Rapperin würde ich über die Erfahrung sagen: “Ich steh fest in meinem Business, ich bin bodenständig, hab die Tastatur gut im Griff, ich schreibe zweihändig.”

Grübelnd sitze ich vor meinem Laptop und starre auf das weiße Word Dokument. „Ich“ heiße Anni, bin die kulturelle FSJlerin eines Studierendenvereins namens ISWI und gerade mit der Gesamtsituation überfordert. Schon seit einer halben Stunde versuche ich meine gesammelten Erfahrungen und Erlebnisse eines fast beendeten Freiwilligen Jahres in einen Kompakttext für unsere Webseite zu quetschen. Puh, gar nicht so einfach.

Es kommt mir so vor als hätte ich erst gestern meinen ersten Arbeitstag gehabt. Damals hab ich mich noch gefragt, wie man sich denn alles merken kann: wo hängt jetzt genau der Schlüssel, wen muss ich anrufen und vor allem wie funktioniert das Wlan (wir haben nämlich nicht einfach einen stinknormalen Router und ein übergreifendes Wlan, oh nein, an einer Technischen Uni gibt es einen eigenen Verein der sich darum kümmert und wehe es gibt nicht mindestens drei offizielle Lans in einem Raum). Heute kann ich sogar den ISWI Gesichtern, die nur ab und zu ins Büro lunzen, mal länger vor dem Computerbildschirm hängen oder auf einen Kaffee bleiben, Namen zu ordnen.  Ich weiß sogar wo die Kekse versteckt sind und das ist ein deutliches Zeichen, das ich jetzt offiziell hier zu Hause bin. Würde ich über die ganze Zeit bis „heute“ berichten, müsste ich ein Buch schreiben. Das würde allerdings länger als die Verfassung des Gesamtwerks von Game of Thrones dauern, also habe ich hier meine coolsten Ereignisse in nicht chronologischer Reihenfolge zusammengefasst:

Am besten in Erinnerung ist mir jener Moment geblieben, in dem ich mit meinen Mitstreitern aus dem Kulturteam zur Internationalen Studierendenwoche in Ilmenau (ISWI) 2019 in der riesigen Eishalle stand und ein eigenes Walkie Talkie bekommen habe. In diesem Moment habe ich mich unheimlich wichtig und professionell gefühlt und zugleich gemerkt, dass es ernst wurde. Selbst acht Monate Planung konnten mich nicht darauf vorbereiten. Noch spannender war die anschließende Autofahrt durch den strömenden Regen zurück zum Büro, die ich im großen Transportwagen vorne auf dem Beifahrersitz, immer noch mit Walkie Talkie Totalverkablung und entsprechenden Kopfhörern im Ohr und der musikalischen Begleitung von Rammstein genießen durfte. Oder das Erlebnis meiner zwei eigens organisierten Partys. Die erste: eine Ska Party, während der ich im Backstage mit meiner SELBST eingeladenen Band gequatscht und Weintrauben gefuttert habe. Später als ich auf der Tanzfläche gehüpft und gesprungen bin, bis mir die Füße wehtaten, war ich froh darüber war, dass alles geklappt hat. Meine zweite Party fand gleich zu Beginn der ISWI statt und war die Willkommensparty, auf der sich unsere Teilnehmenden kennenlernen und gemeinsam den Start dieser besonderen Woche feiern konnten. Es war ebenfalls ein großartiges Gefühl, die hereinströmende Menschenmenge zu sehen mit dem Wissen, dass ich einen kleinen Teil dazu beigetragen habe, diese Veranstaltung zu realisieren. Weitere Highlights waren für mich die Mensainfostände in der Vorbereitung der ISWI. Klingt erstmal nicht so spannend. Es machte aber wirklich Spaß, auf fremde Menschen zu zugehen und sie (manchmal auf sehr witzige Art und Weise) für die ISWI zu gewinnen. Ich weiß auch noch, wie aufgeregt ich war als ich im großen Audimax vor den neuen Studis meinen Verein kurz präsentieren durfte. Im Nachhinein betrachtet fast so toll wie das Gefühl als ich mir selbst erarbeitet habe, wie ich Webseiten im HTML Code gestalten kann und es tatsächlich funktioniert. Oder der Moment, in dem ich mich während des Wichtelwochenendes im Battle Rap versucht habe.

Meine Mutter ist der Meinung, dass ich in diesem Jahr erwachsener und ernsthafter geworden bin. Letzteres stimmt vielleicht nicht so ganz. Man muss sich nur an den denkwürdigen Vorbereitungsabend kurz vor ISWI Beginn erinnern, bei den man den großen Fehler gemacht hat mir Fingermalfarbe in die Hand zu drücken, damit ich einen weißen Kittel „dekorieren“ kann. Spoiler: Danach war die Fingermalfarbe überall.

Einige Dinge haben sich aber auf jeden Fall für mich gerändert. Nicht nur dass ich mit den Postfrauen, dem Dönerverkäufer und dem Leierkastenmann per „Du“ bin, das vergangene Jahr hat mir mehr Selbstvertrauen gegeben, als ich beschreiben kann. Mit einer lässigen Selbstverständlichkeit kann ich jetzt Bands anrufen und buchen, als Expertin für Kennenlernspiele Workshops halten, an Webseiten rumbasteln, und Aufgaben verteilen und koordinieren. Ich habe gelernt, Notlösungen zu basteln, wobei Gaffa und Edding meine stetigen Begleiter geworden sind. Ich habe auch gelernt wie man beides wieder abkriegt, wenn es nicht da ist wo es soll, wie man Bierzeltgarnituren am schnellsten aufbaut, wie man Emails fehlerfrei und schnell schreibt (ich brauche jetzt zumindest keine 15 Minuten mehr für eine Mail), wie VGA und DVI Anschlüsse aussehen, wie man Kabel korrekt einrollt und dass Kabelbrücken einräumen hingegen ziemlich nervig ist.

Andere Abiturienten machen ein Auslandsjahr in Spanien, Neuseeland oder Lateinamerika. Ich jedoch ging nach Ilmenau und Amerika, Asien und Afrika kamen zu mir. Klar gab es auch selten Momente, in denen ich mein Bett und die warme Umarmung meiner Kissen trotzdem nicht verlassen mochte. Aber ich bin so dankbar für alles was ich während diesem einen Jahr gelernt und welche wundervollen Menschen ich in dieser Zeit kennengelernt habe. All das werde ich mitnehmen. Und wer weiß, wahrscheinlich war das nicht meine letzte Studierendenwoche. Bis dahin: auf (ein) Wiedersehen ISWI!

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